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Erwartungen haben beim Besuch des Rechtsanwalts immer zwei Seiten. Die offenkundige liegt auf der Seite des (potentiellen) Mandanten. Er erwartet so einiges von seinem Rechtsanwalt. Zunächst Seriosität, dann absolute Fachkenntnis und letztlich auch eine charmante Behandlung des eigenen selbst. Ärger hat man schließlich schon genug, sonst wäre man nicht da. Und diese Erwartungen kann man auch mit Fug und Recht haben. Wenn ich zum Arzt gehe, erwarte ich schließlich dasselbe. Abgesehen davon soll es beim Anwalt lieber nicht zu teuer werden. Wir sprachen kürzlich darüber.

Worüber sie verehrte Leser und (potentielle) Mandanten vermutlich nicht so häufig nachdenken, ist welche Erwartungen ihr Anwalt an sie hat. Haben sie darüber mal nachgedacht? Einige mit Sicherheit. Das sind die Mandanten die ein Rechtsanwalt am liebsten hat. Da haben sie es. Ein Rechtsanwalt hat nicht alle seine Mandanten gleich lieb. Die Bombe ist geplatzt. Bevor ich nach dieser Enthüllung meinen Laden dicht mache, sage ich ihnen aber noch warum. Diejenigen die sich darüber Gedanken machen, was ihr Anwalt wohl erwartet, kommen mit geordneten Unterlagen zum Termin. Und sie kommen pünktlich. Das hat man gerne. Als Anwalt merkt man sofort, dass man mit diesen Mandanten vernünftig arbeiten kann. Das macht Spass. So entsteht Sympathie. Jedenfalls meistens.

Man hat als Rechtsvertreter dann das Gefühl, dass sich der Aufwand den man betreibt auch lohnt. Es ist nicht nur eine Frage der Arbeitserleichterung. Wenn wir ehrlich sind ist es sogar eine Frage der Wertschätzung. Der Wertschätzung dem Anwalt gegenüber, aber auch eine Wertschätzung des Mandanten für sich selbst. Ich habe festgestellt, dass diejenigen die am schlimmsten dran sind, die ungeordnetsten Mandanten sind. Da wird der verabredete Termin in Eigenregie erstmal 90 min nach hinten verlegt, dafür bekommt man als Anwalt einen Haufen zerfetzte ungeordnete Papiere auf den Tisch geknallt. Toll! Da schreit des Advokaten Seele Hurra! Nicht nur das der Termin jetzt länger dauert als er müsste. Diese Tatsache an sich wäre schon traurig genug.

Nein, was hier passiert, ist unwiederbringliche Zeitvernichtung. Sowas kann Zweckdienlich sein, wenn man jemanden bestrafen möchte. Gefängnisse sind nichts anderes als staatliche Zeitvernichtungsmaschinen. Aber davor kommt immerhin noch ein Prozess. Anders in unserem beschriebenen Fall. Da werden Tatsachen geschaffen. Natürlich kann man so einen Mandanten auch nach Hause schicken. Aber der durch lange Ausbildung geschulte Jurist denkt an die Verhältnismäßigkeit.

Also werden die Unterlagen geordnet und aufgearbeitet. Das dauert. Die Zeit die dabei vernichtet wird, fehlt dem Anwalt zunächst für seine anderen Mandanten. Deren Fälle muss er nun hinten aufschieben. Es geht also auch um die Wertschätzung der anderen. Die sitzen schließlich irgendwie im selben Boot. Schließlich verliert der Anwalt auch Zeit für sich selbst und für die, die sich auch noch nach der Arbeit mit ihm unterhalten wollen.

Man darf das nicht zu persönlich nehmen. Aber Erwartungen zu erfüllen bedeutet eben manchmal auch Wertschätzung für andere.

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